Zwölf Stämme in Tschechien Neues Leben nach altem Muster

Im September 2013 hatte die Glaubensgemeinschaft Zwölf Stämme für Schlagzeilen gesorgt. Damals hatten Landratsamt und Polizei ihre Kinder in Obhut genommen. Inzwischen hört man kaum mehr etwas über die Gemeinschaft – auch weil die Mitglieder ein neues Leben in Tschechien begonnen haben.

Von: Judith Zacher

Stand: 01.12.2016 |Bildnachweis

Gut Klosterzimmern nach der Abreise der Zwölf Stämme | Bild: BR/ Judith Zacher

Das Schild hängt noch am Eingang von Gut Klosterzimmern. Noch vor wenigen Wochen standen auf dem Gelände aber Container voll mit Matratzen, Baumaterial und Abfall. Monate lang wurde hier aufgeräumt, immer wieder sind die Mitglieder der Zwölf Stämme zwischen ihrer neuen Niederlassung in Tschechien und dem Ries hin und hergefahren.

Gut eingelebt in Tschechien

Sie hätten sich gut in Tschechien eingelebt, erzählen sie bei einem Treffen vor wenigen Wochen in Klosterzimmern. Dort könnten sie so leben wie sie wollten – nach ihren Glaubensgrundsätzen. Die Zwölf Stämme legen das alte Testament wörtlich aus und züchtigen deshalb zum Beispiel ihre Kinder.

“Um Kinder zu erziehen, muss man ihnen einfach Grenzen setzen. Das war jahrhundertelang so, dass Kinder mal eins hinten drauf gekriegt haben und das hat niemand geschadet.”

Vater der Zwölf Stämme

Aussteiger berichteten über Prügel

Die ehemaligen Häuser der Zwölf Stämme sind verlassen.

In Tschechien und den anderen Niederlassungen der weltweit verbreiteten Glaubensgemeinschaft unterrichten sie ihre Kinder zuhause und schlagen sie mit der Rute. So haben sie es auch in Deutschland gemacht, bis Aussteiger über die Prügel, die sie täglich einstecken mussten, berichtet haben. Deshalb haben Polizei und Jugendamt 2013 24 Kinder in ihre Obhut genommen.

Schwere Entscheidung für Jugendamt

Für den Donau-Rieser Jugendamtsleiter Alfred Kanth waren die letzten Jahre nicht leicht. Er begleitete den Kampf der Eltern um ihre Kinder und begegnete dem Unverständnis über die Behandlung der Kinder. Eine leichte Entscheidung war es nicht, sie von ihren Eltern zu trennen, aufgrund der massiven Vorwürfe sah man aber keinen anderen Weg, so Kanth.

“Wir wollten den Kindern eine Alternative bieten, andere Lebensformen aufzeigen, andere Wertvorstellungen beibringen, dass sie ein eigenständiges Leben führen können.”

Alfred Kanth, Leiter des Donau-Rieser Jugendamtes

Ein Kind momentan verschwunden

Gutachter und Richter mussten dann entscheiden, ob es besser für die Kinder ist, bei ihren Eltern zu leben oder nicht. Heute sind nur noch acht der 24 Kinder in Heimen oder bei Pflegeeltern. Eines ist momentan mal wieder verschwunden – abgehauen oder von den Eltern geholt worden.

Für ein Kind steht die Entscheidung noch aus. Die 16 anderen durften – entweder weil sie volljährig sind oder weil das Gericht so entschied – wieder zurück zu den Eltern. Einige Kinder wollten das unbedingt, Alfred Kanth hat aber auch andere Erfahrungen gemacht.

“In Einzelfällen gibt es Jugendliche, die sich selbständig machen und ihren eigenen Weg versuchen zu gehen. Das ist ein Erfolg, ein Stück weit das, was wir alle miteinander erreichen wollten.”

Alfred Kanth, Leiter des Donau-Rieser Jugendamtes

Andere Rechtsprechung in Tschechien

Niemand zeigt sich mehr im Hof von Gut Klosterzimmern.

Ein Jugendlicher zum Beispiel hat eine Lehre angefangen und auch der Besuch einer öffentlichen Schule war und ist für viele der Kinder eine Bereicherung. Das hat das Jugendamt in seinem Tun bestätigt. Aber jetzt müssen die Mitarbeiter zusehen, wie die Zwölf Stämme nur etwa zwei Autostunden entfernt über der Grenze weitermachen wie vorher.

“Wir können in Tschechien selbst nichts tun. Wir können – das haben wir auch schon gemacht – die tschechischen Behörden informieren. Aber man muss ganz klar sagen, die haben eine andere Rechtslage in Tschechien.”

Alfred Kanth, Leiter des Donau-Rieser Jugendamtes

Wie die Zwölf Stämme berichten, fühlen sie sich bislang in Tschechien sehr wohl. Auch die Kinder bei den Pflegefamilien besuchen die Eltern regelmäßig unter Aufsicht. Allerdings sind sie froh darüber, ihre Kinder in ihrem neuen Zuhause in Tschechien nach ihren Regeln erziehen zu können – also auch mit Schlägen.

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